Thái Cong Quách ist ein gefragter Designer. Der gebürtige Vietnamese bringt mit seinen Ansichten auch einen Hauch Buddhismus in die Stadt
Mensch und Hund sind als Paar ebenso ein Hingucker wie die Verkaufsräume des in der Stadt zunehmend nachgefragten Inneneinrichters. Zurzeit wird zwar ein Zimmer renoviert und neu gestaltet, doch ansonsten sieht es bei Quách im Laden aus wie man sich Wohn- oder Schlafzimmer bei Menschen vorstellt, die reichlich Geld haben und Sinn für üppige Wohnlichkeit, also das Gegenteil von Purismus. Die Wände der Räume sind mit Seidentapeten tapeziert und prächtig dekoriert mit edlen Möbeln diverser Stilrichtungen sowie exklusiven Accessoires und ausgefallenen Lampen wie beispielsweise der neuesten Kreation von Star-Designer Philipp Starck: Ein glitzernder Lüster in Schirmform, aufgehängt an einem großen Stangen-Gestell auf Rollen. Das Gegengewicht bildet ein Boxsack aus Leder. “Eine perfekte Symbiose aus weiblichen und männlichen Zutaten”, sagt Quách. Knapp 33 000 Euro kostet das seltene Schmuckstück, von dem es nur einige wenige Anfertigungen gibt.
Der schlanke kleine Mann aus Vietnam, perfekt gestylt wie seine Räume, nennt Preis und Herkunft des Prunkstücks eher beiläufig. Understatement, das hat er schnell verinnerlicht bei den Hanseaten, ist im Verkaufsgespräch mit den meisten Nordlichtern unabdingbar. Obwohl es auch Ausnahmen gibt, wie er verrät. Doch gegenüber Menschen, die glauben, mit ihrem Geld den Stilberater als Abnicker kaufen zu können, ist er asiatisch-freundlich ablehnend. Erst kürzlich hat ein potenzieller Kunde, dem sich Quách als Maßschneider für Räume vorstellte, zu ihm gesagt, das sei ja ganz nett, aber er solle vor allem nicht vergessen, dass er der Maßzahler sei. Es kam zu keinem Geschäftsabschluss.
Die meisten Geschäftspartner mögen seine Art. Am Eppendorfer Weg hat er sich vergrößert und inzwischen nebeneinander vier Läden eröffnet, in denen Besucher einen Einblick in seine Gestaltungsphilosophie erhalten. Oben drüber hat er in einem der Häuser seine Wohnung. Noch. Demnächst zieht er um in ein exklusives Domizil. Das erste Mal, seit er als Student die 70 Quadratmeter angemietet hat. Eine seiner netten Langzeit-Nachbarinnen ist inzwischen verstorben. “Ich konnte mir damals bei meinem Einzug nicht vorstellen, dass man so lange in einer Wohnung bleibt”, erzählt er. “Und nun habe ich es fast genauso lange geschafft.”
Natürlich sieht es auch bei ihm privat zu Hause längst nicht mehr so aus wie in Studienzeiten, als das Geld knapp und nur die Fantasie frei war. “Die Wohnung und ich, wir haben uns beide wirtschaftlich weiter entwickelt”, sagt Quách, der seinen Vornamen in den Jahren zielstrebig zur Marke gemacht hat: “Wie Madonna”. Selbstbewusste Ver-gleiche scheut er genauso wenig wie klare Ansagen.
Nein, er habe diese Karriere nicht geplant, sagt der Sohn eines chinesischen Vaters und einer vietnamesischen Mutter nachdrücklich. Zwar habe er schon als kleiner Junge in den elterlichen Friseurläden in Saigon Gespür für schöne Dinge gezeigt, doch dass diese Orientierung einmal seine Lebensgrundlage in Deutschland werden würde, wohin die Familie 1981 auswanderte, davon träumte er damals nicht.
Viel eher von einer Karriere als Zauberer. Die Mutter hatte dem leidenschaftlichen Mini-Illusionisten Geheimtaschen in seinen Frack genäht, der Vater baute ihm den dazu gehörigen Zauberkasten. Später verdiente er sich unter anderem sein Studium mit Zaubertricks. “Aber ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich auch das nie geschafft”, sagt er. Für seinen Abschluss als Modedesigner half ihm die Mutter beim Nähen. “Sie hat das Diplom verdient, nicht du”, haben die Geschwister gewitzelt.
Dass ein Einwandererkind aus Vietnam es als Stilberater und Einrichter von exklusiven Häusern und Wohnungen nicht nur an die Spitze der Hamburger Gesellschaft schafft, sondern deutschlandweit nachgefragt wird, hat viel zu tun mit der Lebensgeschichte und der Lebensphilosophie des Thái Cong Quách, 39. Gerade noch rechtzeitig vor der drohenden Enteignung hatten sich seine Eltern damals Richtung Deutschland abgesetzt – und einen Teil ihres Vermögens vor dem Zugriff der Kommunisten retten können. “Vor allem meine Mutter hat die Funktionäre charmant umgarnt und sie für uns eingenommen”, erinnert sich der Sohn. Hier eine Vase, dort eine Bahn Stoff, ihr “Bitte, nehmen Sie”, stimmte die Staatsbeamten gnädig.
Doch nicht nur das elterliche Hab und Gut wurde strategisch eingesetzt, auch der kleine Thái Cong musste abgeben. “Ich besaß damals ein ferngesteuertes Feuerwehrauto”, erzählt er. Der Sohn einer der im Hause ein- und ausgehenden Beamtinnen warf begehrliche Blicke darauf. Abends bereitete ihn die Mutter auf eine Lebenserfahrung vor. “Gib ihm das Auto”, sagte Lang Leona Le. “Das andere Kind freut sich viel mehr darüber als du. Und du weißt ja, wenn wir Dinge weggeben, ist es nur Materie, aber niemals unsere Seele.”
Nach nur neun Monaten, für die damaligen Verhältnisse eine kurze Zeit, waren die Papiere vollständig und unterzeichnet und die Familie durfte ausreisen. Zwei der Söhne hatten es schon vorher als Boatpeople nach Europa geschafft. Vater Huu Thanh reiste mit Ehefrau, jüngstem Sohn und der Tochter hinterher. Ein neues Leben begann.
Vor fünf Jahren ist der Vater gestorben, kurz vor seinem 100. Geburtstag. Dass er ein langes Leben haben würde, konnte man ihm Zeit seines Lebens ansehen, behauptet der Sohn. Er war ein Mann mit fleischigen, großen Ohrläppchen. “So wie Buddha”, sagt Quách und lächelt hintergründig. Mit Religion im klassischen Sinn hat er dennoch nichts zu tun. Aber Glaubenssätze aus dem Buddhismus beispielsweise prägen sein Verhalten. “Reichtum hat man in der Seele”, sagt er. Und: “Glück kann man nicht kaufen. Man muss dankbar sein für alles, was das Leben bereithält.”
In diesem Glauben haben ihn die Eltern erzogen. “Meine Geschichte beweist, dass es funktioniert”, sagt Quách im Brustton der Überzeugung. Und weil Vietnamesen die Ahnen in religiöser Achtung ehren, hat sich dieser Sohn schon frühzeitig etwas ganz Besonderes für seine Eltern ausgedacht. Vor sieben Jahren erntete er internationale Aufmerksamkeit mit einer Fotografienserie, die ausschließlich seine Eltern als Motiv hatten. Den ersten Zyklus übernahmen renommierte Fotografen. Ihre Bilder zeigen den damals schon über 90-Jährigen Chinesen und seine fast 40 Jahre jüng-ere Ehefrau in Designer-Kleidung in ungewöhnlichen Augenblicken. Die zweite Session gestaltete der Sohn, inzwischen selbst ein versierter Fotograf, als Schwarz-Weiß-Porträts auf einer Reise durch das einstige Heimatland Vietnam selbst. Den Abschluss bilden Schnappschüsse, die das lebenserfahrene Paar per Selbstauslöser machte. Zwei Jahre lang fotografierten sie sich einmal täglich in ihrem Alltagsleben. “Photography – Identity – My Parents” wurde nicht nur im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ausgestellt, sondern auch in New Yorkvom “International Center of Photography” ausgezeichnet. “Ein Familienalbum”, nennt Quách die Bilder heute. Am Todestag des Vaters versammelt sich die ganze Familie, kocht dessen Lieblingsessen, brennt Räucherstäbchen ab und gedenkt seiner in Liebe.
Dann liegt der Hang zur Selbstdarstellung also in den Genen? Das alte Paar spielt auf allen Fotos und für jeden Betrachter offensichtlich virtuos, fast lustvoll mit dem Auge der Kamera. Quách schaut bei dieser Frage fast entsetzt. “Vor allem mein Vater war ein ruhiger, besonnener und barmherziger Mann”, sagt der Sohn. Die Mutter, ja, die sei temperamentvoll. Auch ohne den Ehemann geht sie auf Reisen, schaut neugierig in die Welt. Aber das Exzentrische, die Lust am Anderssein, Auge und Gefühl für Ästhetik, “das trage ich allein in mir”. Die Geschwister haben solide Berufe wie Krankenschwester und technischer Zeichner erlernt. Er hingegen servierte schon als kleiner Junge den Eltern das Frühstück auf einem hübsch dekorierten Tablett. Und natürlich fehlte nie eine Vase mit einer frischen Blume.
Diese Woche war der Inneneinrichter auf Mallorca. Ein Hamburger Reeder hat ihn gebeten, für ihn eine Yacht zu gestalten. Eine neue und deshalb besonders spannende Herausforderung. 75 Fuß lang ist das Schiff und soll Platz bieten für zehn Personen. “Das ist es, was ich an meiner Arbeit liebe”, sagt Quách. Nie wäre er selbst auf die Idee gekommen, das Portfolio um Yachteinrichtungen zu erweitern. “Aber wenn man offen ist für alles, loslassen kann und nicht zu viel Herz an die Dinge hängt, dann passieren immer wieder aufregende Geschichten.”
Reden mit einem Mann wie Thái Cong Quách ist gleichzeitig ein Gang durch die Kammer der Erkenntnis. Alles, was er tut, was andere tun, setzt er ins Verhältnis und bewertet es. Irgendwie. “Aber immer als dankbarer Mensch”, betont er. Und erklärt was er meint: “Toleranz ist die Freiheit des anderen, so wie Luxus ein Geschenk aber nie die Basis ist.” Und: “Einen guten Whisky aus einem Kristallglas zu trinken, ist Belohnung, aber niemals Motivation.” Stattdessen gelte vor allem eines: Erfolg hat nur der, der liebt, was er tut. “Pläne braucht man dafür nicht.” Der Weg ist das Ziel, sagt der Asiate.
Aus diesem Gedankenkonstrukt heraus möchte Quách nun, da er die gesellschaftliche Leiter hinaufgeklettert ist, auch Gutes tun und etwas von dem, was er hat, weitergeben. Zusammen mit der Ehefrau des Architekten Hadi Teherani will er einen neuen Club gründen. “Danke-Verein” soll er heißen, und die gesammelten Gelder sollen nicht an diejenigen gehen, die hilfsbedürftig sind, “dafür engagieren sich schon viele Menschen”, sondern an diejenigen, die dafür sorgen, dass es den anderen gut geht: “Der Gärtner, der aus Liebe zu den Pflanzen unentgeltlich auch den Park pflegt. Oder die unterbezahlte Krankenschwester, die freiwillig Überstunden macht aus Mitmenschlichkeit.”
Inzwischen ist es Marie langweilig geworden bei dem Gespräch. Sie möchte raus, spazieren gehen. Oliver Haake, der Geschäftspartner und ehemalige Lebenspartner, lässt die Hündin vor die Tür. Draußen scheint die blasse Wintersonne und Quách verabschiedet sich mit einem Vorschlag: “Wollen Sie nicht auch jemandem Danke sagen?” Gute Idee!
Source: WELT