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„Räume müssen Geschichten erzählen“

Thái Công Quách richtet die Häuser deutscher Millionäre ein: Er macht das Wohnzimmer zum Club und die Küche zur Bar. Ein Gespräch über Geschmack und die Freude des Wohnens.

29.12.2014, 13:33
Thái Công Quách in einer von ihm eingerichteten Villa in Hamburg

Thái Công Quách in einer von ihm eingerichteten Villa in Hamburg Bild: THAI CONG

Thái Công, manche nennen Ihren Einrichtungsstil „das Prunk-Prinzip“. Muss man klotzen statt kleckern?

Ich sehe mich eher als Maßschneider fürs Wohnen. Der Kunde entscheidet ja, welchen Stil er möchte:. Ich berate ihn nur. Hauptsache ist immer, dass der Stil zur Person passt, zur Architektur und zum Ort. Prunk sagt man wahrscheinlich, weil ich hochwertige Materialien verwende: aus Rochenhaut, Leder, Bronze oder Kristalllüster.

Welchen Stil setzen Sie am liebsten um?

Am meisten Spaß macht es mir, wenn der Kunde mich auf eine neue Idee bringt, mich inspiriert. Weil er ein außergewöhnliches Hobby hat oder eine Leidenschaft. Wenn ich einen ganz neuen Einrichtungsstil kreieren kann.

Zum Beispiel?

Wenn jemand gern Partys feiert, aber nicht am Esstisch, sondern cool auf dem Sofa, dann schaffe ich ihm eine andere Welt: Ich besprühe eine Wand mit Graffiti, wähle Loungemöbel, und zur Party kommt ein DJ. Ich sorge dafür, dass das Wohnzimmer zum Club wird. Oder die Küche zur Bar. Am Ende einer Party landen immer alle in der Küche, warum baut man nicht gleich eine Bar-Küche? Oder ein Bibliothekbad, wenn jemand gern in der Badewanne liest?

Sie inszenieren wie im Theater?

Viele Menschen dekorieren ihre Räume nur. Dekorieren kann jeder Florist und Dekorateur. Ich verstehe mich als Regisseur: Räume müssen eine Geschichte erzählen. Zu Weihnachten kann man mit Tannenbaum und Christbaumkugeln dekorieren – oder man inszeniert es: Es riecht nach Weihnachtsplätzchen, gedämpftes Licht, leise Musik, das Knistern des Kamins – das ist eine komplette Welt.

Da muss ich ja ständig neu inszenieren . . .

Nein, es geht ja nicht um Kunstwelten. In den eigenen vier Wänden geht es um Details, die man jeden Tag neu entdecken kann. Jeder Raum hat vier Ecken. Idealerweise steht in jeder Ecke ein Sitz, und ich sehe aus jeder Ecke etwas Neues, zum Beispiel Bilder – dann habe ich eine Inszenierung erreicht. Früher war ich Zauberkünstler, und ich sage immer: Alles, was ich mache, ob es Modedesign ist, Fotografie oder Inneneinrichtung, ist Magie, ist Zauberei. Das Gefühl im Raum muss magisch sein.

Verschwindet dann auch alles bald wieder?

Meine Räume sind sehr detailverliebt, daran kann man sich gar nicht so schnell sattsehen. Die Kunden müssen erst zur Ruhe kommen, um alles wahrzunehmen: den Tisch in der Ecke, die Lampe, das Bild dazu und das Tablett mit dem alten Buch. So macht man Räume erlebbar. Ich glaube auch nicht, dass man Räume dafür größer machen muss. Viele haben weiße Wände und Angst vor dunklen Farben, weil sie denken: Das macht den Raum zu klein.

Sie füllen kleine Räume mit erdigen Farben, riesigen Mustern und vielen Details. Erschlägt das nicht auch manchen?

Es ist das, was ich persönlich gut finde. Ich habe eine alte Wohnung in Hamburg in einem Altbau von 1890, darin wohne ich, seit ich Student bin. Gerade alte Räume brauchen genau diese Atmosphäre. Würde ich in einem Penthouse wohnen, würde ich die Räume hell gestalten und offen. Man wird oft in eine Schublade gesteckt, aber ich verkaufe keinen bestimmten Stil, ich verkaufe Geschmack.

Wie steht es denn um den Wohngeschmack der Deutschen?

Der Deutsche ist viel zu ängstlich. Er hat immer Angst, es könnte zu viel sein, zu mondän, es sieht zu reich aus. Er hat Angst, seinen Wohlstand nach außen zu zeigen. Die Briten und Franzosen inszenieren viel mehr in ihren Räumen, alles ist opulenter. Dort leistet man sich „Interior Designer“. In Deutschland richten sich die Leute selber ein. Das ist, als ob man sich die Haare selber färben würde. Ein guter Friseur betrachtet Ihre Haarstruktur, Ihren Stil und kreiert einen Schnitt, der zu Ihnen passt. Das mache ich auch.

Ist das wirklich eine Mentalitätsfrage? Inneneinrichter sind ziemlich teuer.

In Hamburg leben die meisten Millionäre, das ist unsere Zielgruppe. Ich mache hochwertiges Design, kein Ikea.

Aber nicht jeder ist Millionär. Bei Ihnen kostet der Quadratmeter ab 100 Euro und bis zu 1000 Euro.

Für 100 Euro bieten wir die wichtigsten Einrichtungsgrundlagen. Der Kunde entscheidet dann, wie viel er investieren will. Auf Wunsch bieten wir den kompletten Service mit Möblierung. Es geht immer um die Will ich mir das leisten? Bin ich bereit, mich beraten zu lassen? Am Ende hat man viel Geld gespart, weil man nur einmal Möbel kauft – und die passen zu einem.

Behält man die Möbel ein Leben lang? Es gibt ja ständig neue Wohntrends.

Natürlich gibt es Kunden, die von einem Stil zum anderen hüpfen. Die kommen aus Miami und wollen plötzlich alles in Türkis. Dann machen sie plötzlich alles auf „Paris“. Die wissen gar nicht, was sie wollen. Wenn ich einrichte, höre ich heraus: Was ist die Mode, der jemand folgen will? Und was sind die Dinge, die er immer mögen wird? Ich rate auch davon ab, teure Möbel wie einen Schrank oder ein Sofa in verrücktem Design zu kaufen. Nehmen Sie gediegene Farben! Den Zeitgeist können Sie sich mit einem Teppich ins Haus holen oder indem Sie ein paar bunte Kissen aufs Sofa werfen.

Welche Einrichtungsgegenstände werden Kunden immer mögen?

Einen Kristalllüster, der hält ein Leben lang. Oder Antiquitäten. Deutsche verwechseln oft alte Möbel und Antiquitäten. Was vom Trödel kommt, sind alte Möbel. Antiquitäten sind wertvolle Stücke. Wichtig ist: Das Material muss gut sein. Die Verarbeitung muss gut sein und das Design.

Sehen Sie viele gute Möbel bei Ihren Kunden?

Das hab ich nicht so oft erlebt. Oft ist das Haus von außen opulent, innen sind wir meist enttäuscht.

Momentan investieren wir aber doch viel in unsere Häuser.

Richtig, der Deutsche investiert in seine Immobilien – in Lage, Lage, Lage. Aber er lebt nicht. Er fragt: Kann ich das Haus gut wieder verkaufen? Gibt aber nur einen Bruchteil für die Einrichtung aus.

Auch die Prominenten? Sie haben ja schon etliche Showstars und Topsportler neu eingerichtet.

Das ist Berufsgeheimnis, ich darf nicht über Kunden plaudern.

Sind berühmte Menschen allgemein besser eingerichtet?

Nein, jeder Kunde will besser wohnen. Die Frage ist: Wie viel wollen Sie dafür investieren? Viele sehen Inneneinrichtung als Luxus, dafür gibt man nicht viel Geld aus. Ein Deutscher zahlt eher 100 000 Euro fürs Auto als fürs Wohnen.

Bezahlen Prominente eher dafür, weil das Inszenieren ihr Beruf ist?

Das würde ich nicht verallgemeinern. Je schnelllebiger die Welt wird, desto mehr brauchen wir alle einen Rückzugsort. Jeder will einen Kokon, ein Zuhause.

In Umfragen sagen die Leute, ein gemütliches Zuhause sei nach Gesundheit das Zweitwichtigste. Warum laufen trotzdem alle zu Ikea?

Weil jeder natürlich alles ganz schnell haben will, sofort. Die wenigsten bauen sich ihre Einrichtung Schritt für Schritt auf.

Sie haben viele Hotels eingerichtet, wie Teile des „George“ in Hamburg. Was ist der Unterschied zwischen dem gut eingerichteten Hotel und dem Zuhause?

Hotels sehen gut aus, man kann aber nicht auf Dauer darin leben. Hotels setzen auf den Wow-Effekt. Aber den erlebt der Gast meist nur einmal. Die pinke Wand, die geht nur im Hotel, die ertrage ich Zuhause keine drei Monate.

Bei Ihren Einrichtungen stellt sich auch ein Wow-Effekt ein.

Ja, aber im Sinne von: Wow, ist das gemütlich. Die einzige Beschwerde bisher war: „Thai Cong, Deine Räume sind so gemütlich, dass meine Gäste nie gehen wollen.“

Wie viel Geld braucht man, um gut eingerichtet zu sein?

Eigentlich gar keines, der Stil muss nur zu dem passen, was ich ausgeben will. Viele haben wenig Geld, suchen sich aber einen Stil aus, der nicht passt, wie Barock. Sie kaufen eine nachgemachte Barock-Kommode, einen Plastikspiegel mit Goldfarbe. Das ist wie Fasching.

Aber wie macht ein 20-Jähriger mit 1000 Euro seine Wohnung schön?

Ein Student, der gerne surft, baut sich Lampen aus Brettern, die aus dem Meer kommen. Er hängt ein Surfbrett an die Wand, streicht die Wände schlicht und sucht sich ehrliche Möbel, die es zu diesem Geld gibt. Bauen Sie lieber einen Esstisch aus Obstkisten, als Kitsch zu kaufen.

Wie sehr hat Ihre Heimat Vietnam Ihren Stil geprägt?

Ich lebe seit 32 Jahren in Deutschland und vieles in meinen Räumlichkeiten kommt aus Paris, Belgien und Italien. Es ist Jugendstil, chinesisch inspiriert. Kulturmix ist immer spannend, aber die Inneneinrichtung muss zum Ort passen, ich kann nicht in Hamburg wohnen und ganz auf Chinesisch machen. Außerdem muss die Einrichtung zur Architektur passen, vor allem Küche, Wasserhähne, Einbauschränke und Fußböden müssen aussehen, als hätten sie schon immer ins Haus gehört. Und Bäder. Es gibt nichts Geschmackloseres als luxussanierte Gründerzeithäuser mit topmodernen Bädern.

Der Inneneinrichter

Der 42-jährige Designer mit vietnamesischen Wurzeln gehört zu den gefragtesten Inneneinrichtern Deutschlands. Thái Công Quách (Künstlername Thái Công) hat bereits Prominente wie Wladimir Klitschko, Barbara Schöneberger, die Verlegerfamilie Jahr und Rafael van der Vaart ausgestattet. Das Hamburger Luxushotel George hat er ebenso mitgestaltet wie die Hamburger Edelimmobilien „Marco Polo Tower“ und „Sophienterassen“. Thai Congs Karriere begann ungewöhnlich: Er startete als Modedesigner und Fotograf. Mit 17 war er außerdem deutscher Meister im Zaubern.

Das Gespräch führte Nadine Oberhuber.

Quelle: F.A.S.

Source: Frankfurter Allgemeine

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